Sonntagsblatt für die Kirchen in Niedersachsen - 13. März 2016

Zeitungsbeilage HAZ und NP vom Freitag, 11. März 2016 "Trauer" Andenken bewahren

HAZ vom 10.3.2016 - Leserbrief

Zeichen von Ratlosigkeit und Desinteresse

Zum Artikel "Das Engagement (auf dem Gartenfriedhof) wird beerdigt" aus der Ausgabe vom 3. März

Das gewählte Ende des Vereins Renaissance Gartenfriedhof ist höchst bedauerlich, aber nachvollziehbar. Die abgedruckte Sicht der Stadt dagegen soll offenbar großstädtische Toleranz signalisieren, ist aber faktisch nur ein Zeichen von Ratloskeit und Desinteresse.
Rainer Ertel - Südstadt


Der Beobachter 03.03.2016

Man stelle ich vor, dort wären auch jüdische Gräber.....der Ministerpräsident würde persönlich jeden Spatenstich überwachen und die auf die Gräber urinierenden Penner wären als Nazis für Jahre ins Zuchthaus gewandert. Aber so, Engagement für tote Deutsche.......ed, das ist nicht zeitgemäss.Schon wieder schade.

 

HAZ vom 3. März 2016 - Stadt-Anzeiger - Conrad von Mending

Das Engagement wird beerdigt

Am historischen Gartenfriedhof legt der Renaissance-Verein seine Arbeit bitter enttäuscht nieder: "Wir sind gegen Wände gerannt".

Friedhofskultur: Herschelschüler (li.) gedenken am Herschel-Grab, andere Gräber (Mi.) werden saniert, und Stephan Weil (re.) überreicht dem inzwischen verstorbenen Galeristen Jan Ahlers eine Patenurkunde.

Am historischen Gartenfridhof legt der Renaissance-Verein seine Arbeit bitter enttäuscht nieder: "Wir sind gegen Wände gerannt", sagen die Verantwortlichen - und fühlen sich von der Stadt nicht ernst genommen.

Hannover. Mit einer fast 40-seitigen Broschüre hat der Verein Renaissance Gartenfriedhof eine Bilanz seines Wirkens seit 2011 gezogen - und zugleich seine Auflösung bekannt gegeben. „Bitter enttäuscht“ sei man davon, dass es trotz hohen Engagements nicht gelungen sei, den historisch für ganz Norddeutschland bedeutenden Renaissancefriedhof so umzuwandeln, dass er von Trinkern und Methadonabhängigen nicht mehr belagert wird. „Wir können den Paten, mit denen wir Grabmalpatenschaften vereinbart haben, doch nicht vermitteln, dass dort dauerhaft auf Bänken gepöbelt und an Grabmonumente gepinkelt wird“, sagt Ingeborg Rupprecht vom Vorstand. „Nicht ohne Bitterkeit“ verabschiede man sich von dem Projekt, sagt ihr Vorstandskollege Dieter Zinsser. Man hoffe, dass sich irgendwann doch noch einmal Nachfolger finden, die sich „für dieses Kleinod im Herzen der Stadt engagieren“ - vielleicht unter geänderten Vorzeichen.

Diese Vorzeichen standen von Anfang an schlecht. Der Initiative ist es in fast fünfjähriger Arbeit gelungen, das Bewusstsein für die kunsthistorische Qualität des Geländes wieder stärker in die Öffentlichkeit zu tragen. Auf diesem Areal befinden sich die Gebeine und die Grabstätten etwa von Charlotte Buff-Kestner (1753-1828, die „Lotte“ aus Goethes „Werther“), von der weltberühmten Astronomin Caroline Herschel (1750-1848) oder dem Entzifferer der Keilschrift, Georg Friedrich Grotefend (1775-1853) sowie vieler anderer bedeutender Familien aus Hannover. Die Bundesregierung hat den Friedhof als Einzigen in Niedersachsen in ihr Förderprogramm aufgenommen, die hannoversche Wenger-Stiftung hat mehr als 110 000 Euro für Grabmalsanierungen gegeben, die Stadt ein Sanierungskonzept erstellen lassen. 34 zahlende Grabmalpaten wurden mobilisiert - die Patenschaftsfeiern auf dem Friedhof waren Hochämter des Bürgerengagements, wie auch die Stadt anerkennt. Doch haftete der Initiative aus Sicht der Stadt ein Menetekel an: Es ging stets auch darum, die Dominanz der Trinkergruppe auf dem Areal einzuschränken - und da wollte die rot-grüne Ratsmehrheit und mit ihr die Verwaltung nicht mitspielen. Die Grünfläche sei für alle da, hieß es. Weder bekam sie den Schutzstatus anderer Friedhöfe noch den einer Denkmalanlage, wie sie etwa der Maschpark oder der Stadtpark genießen.

Vorstandsmitglieder haben die Broschüre erarbeitet, neben Zinsser und Ingeborg Rupprecht auch ihr Mann Günther und Karl-Ernst Fichter. Sie beklagen, dass die Stadt sogar Verbesserungen, auf die man sich geeinigt habe und für die Geld zur Verfügung stehe, verschleppe. Ein Zugang, der verschlossen werden sollte, um für mehr Ruhe auf dem Areal zu sorgen, ist seit fast einem Jahr ein Provisorium - mit einer rot-weißen Kunststoffsperre und Flatterband. Angeblich aus Personalknappheit sei es nicht vorangegangen. „Wir haben das Gefühl, dass wir immer nur gegen Wände rennen“, sagt Zinsser. Damit ist es jetzt vorbei.

Kommentar zum Artikel "Bürgerengagement ist toll - wenn es nicht stört" vom 27. Februar:
Wieder ist ein Bürgerengagement zu Ende gegangen. Sicher weicht es vom Behörden- und Politikalltag ab, sich auf frewillige Initiativen einstellen zu müssen. Es ist aber alternativlos. Bürgerschaftliches Engagement ist wegen seiner vielfältigen Wirkungen nach innen und außen unbezahlbar. Es geht um die Erhaltung von Monumenten der Vergangenheit der Stadt und ihrer Bürger. Der Chef ist jetzt aufgefordert, das Schlimmste zu verhindern.

Hannover     Michael Wiedemann

HAZ vom 27.02.2016 Conrad von Meding

"Engagement nur gefragt, wenn`s nicht stört"
Der Unterstützerverein für den historischen Gartenfriedhof löst sich auf - "bitter enttäuscht von mangelnder Unterstützung der Stadt. Die hat geduldet, dass sich eine Trinkergruppe auf dem in Norddeutschland einmaligen Renaissanceareal breit macht. 


Hannover. Der Gartenfriedhof am Südrand der Stadtmitte gilt als Kleinod der Renaissancekultur in Norddeutschland. Ein Unterstützerverein hatte es sich die Aufgabe gesetzt, das lange vernachlässigte Areal aufzuwerten – mit Patenschaften, Kulturevents und Spendensammlungen. Jetzt hat er sich aufgelöst – „bitter enttäuscht“ von mangelnder Unterstützung der Stadt, wie der scheidende Vorstand schreibt. Statt die Würde des Ortes aufzuwerten, habe die Stadt zugelassen, dass das Drogenmilieu auf inzwischen täglich bis zu 60 Trinker angewachsen sei. Die Stadt weist den Vorwurf zurück. 

140 Mitglieder umfasste der Verein zuletzt, hat in knapp fünf Jahren 34 zahlende Grabmalpatenschaften mobilisiert, 25 000 Euro direkte Spenden zur Sanierung der historischen Anlage eingeworben und mehr als 100 000 Euro Stiftungsgeld. Nun hat er seine eigene Liquidation beschlossen. Man gebe auf wegen des Gefühls, „immer wieder gegen Wände zu laufen“. Politik und Verwaltung hätten zwar stets Wohlwollen signalisiert, in den entscheidenden Fragen aber abgeblockt. Weder die schriftlichen Hilferufe der Kirchengemeinde noch das Drängen des Unterstützervereins seien ernst genommen worden, zugesagte Projekte wie etwa der Einbau von Toren, wie sie an anderen Friedhöfen üblich sind, jahrelang verzögert worden. Bürgerschaftliches Engagement, sagt Vereinsvorstand Dieter Zinßer plakativ, sei in der Landeshauptstadt offenbar „gern gesehen, aber nicht, wenn es stört“.
Tatsächlich hatte der Konflikt um eine Gruppe von Trinkern und Methadonpatienten, die täglich in der Parkanlage campiert, die Kooperation zwischen Stadt und Verein von Anfang an überschattet. Der Verein wollte eine Satzung wie für andere Friedhöfe, die das Lagern und den Alkoholkonsum verbietet. Die Stadt aber und insbesondere die rot-grüne Mehrheit stufen den Friedhof als normale Grünfläche ein, die ausdrücklich für alle Bürger offen sein soll. 
Umweltstadträtin Sabine Tegtmeyer-Dette betonte gestern gegenüber der HAZ, dass sie die Auflösung des Vereins ausdrücklich bedauere und die Aufwertung des Gartenfriedhofs fortsetzen wolle. Die Kritik, dass die Stadt nicht genug für das Areal tue, lässt sie nicht gelten. Gut 50 000 Euro habe man seit 2011 investiert, wegen der teils problematischen Klientel sei die Fläche „die am intensivsten kontrollierte Grünfläche der Stadt“. 
Auf dem 1741 angelegten Gartenfriedhof befinden sich die Gräber unter anderem von Charlotte Buff-Kestner (1753-1828, die „Lotte“ aus Goethes Werther), dort sind etwa die weltberühmte Astronomin Caroline Herschel (1750–1848) oder der Entzifferer der Keilschrift Georg Friedrich Grotefend (1775–1853), bestattet und viele andere bedeutende Hannoveraner, darunter Mitglieder der Familien Tramm, Hardenberg, Arnswaldt, Hinüber, Ramberg oder Heiliger.